Rolf Bachem:
Poesie und Politik. Sprachanalysen
1. Aufl. 2009, 161 S., geb.
ISBN 978-3-9808973-8-9
Ladenpreis 18,00 €.
Es handelt sich um einen Wiederabdruck von verstreut in Periodika erschienenen Veröffentlichungen zu extremen Formen und Inhalten der Sprachverwendung in der Politik und in der Poesie. Sie befassen sich unter anderem mit „rhetorischer Analyse in aufklärerischer Mission“, mit der Sprache der extremistischen Mord-Rechtfertigung in einem „Bekennerschreiben“ (RAF), mit Sprache und Gewaltbereitschaft in politischen Handlungsfeldern, mit der Sprache des Rechtsextremismus, aber auch mit der Möglichkeit von Spra-che als friedenstiftender Metaphorik in der Politik. Andere Beiträge bemühen sich um die Erkenntnis von Formen und Inhalten extremer Sprachverwendung in der Kunst: in schwer zugänglichen, aber bewegenden Kleinformen der Lyrik von Goethe, Hölderlin, Celan. Das heißt, es geht hier um die ästhetische, meditative, menschlich existenzielle Seite der Kommunikation.
Beschreibung
Geleitwort von Walter Pape
In Jeremias Gotthelfs Leiden und Freuden eines Schulmeisters heißt es an einer Stelle:
"Gab es aber nicht auch Bücher, die euch ergriffen mit ganz eigener Gewalt, die euch festbannten an sie, daß ihr sie kaum aus den Händen bringen konntet und noch viel weniger aus dem Kopf, die euer ganzes Wesen aufwühlten wie der Sturm das Meer, die ein eigen Feuer in euch anzündeten, daß ihr nach den Köpfen griffet, ob nicht auch feurige Zungen denselben entsprühten, die eine süße Wonne in eure Herzen gossen, eine Labung, für die ihr keine Namen fandet?"
Die Faszination durch Sprache spürt man in jedem Beitrag von Rolf Bachem; von Hölderlins Gedichten über rechts- und linksradikale Sprechmuster und Metaphern bis hin zur Bedeutung des Sprachrhythmus reichen die Überlegungen, die in diesem Band dokumentiert sind. Es ist faszinierend, wie er aus dem sprachlichen Detail ein Weltbild entwickelt, eindrucksvoll z. B. sein Aufsatz „Unser gemeinsames Haus Europa. Zum Handlungspotential einer Metapher im öffentlichen Meinungsstreit“. Es wird nicht nur deutlich, dass Haus und Wohnen zu den wichtigsten anthropologischen Konstanten gehören, sondern wie sich der Metaphernkomplex entfalten kann; gilt doch: Unsere Worte sind gleichsam aufgeladen mit Geschichte und Weltdeutung.
Dass die Sprache andererseits dem Menschen ihre Ordnung aufzwingt, hat nicht erst Nietzsche erkannt, weniger negativ hatte schon Goethe formuliert: „Durch Worte sprechen wir weder die Gegenstände noch uns selbst völlig aus. Durch die Sprache entsteht gleichsam eine neue Welt, die aus Notwendigem und Zufälligem besteht.“ Deshalb ist es auch so wichtig, dass an Schule und Universität nicht nur die vermeintlichen ‚Realien’, sondern vor allem die Sprache im Mittelpunkt steht, die der schwedische Philosoph Lars Gustafson einmal ein „systematisch irreführendes System“ genannt hat. Und wer die rhetorischen und sprachlichen Tricks nicht kennt, kann leicht auf sie reinfallen. Solchen systemischen, aber auch agitatorischen Irreführungen ist Rolf Bachem immer wieder nachgegangen, und er hat in seinem Aufsatz zu „Rechtsradikalen Sprechmustern der 80er Jahre“ zurecht festgestellt, dass man in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts „die Sprachreflexion in den Schulen verkommen“ ließ der linguistic turn in den Literatur- und Geschichtswissenschaften hat gezeigt, wie Recht Rolf Bachem hatte und vielleicht noch hat.
Als akademischer Lehrer hat Rolf Bachem am Institut für deutsche Sprache und Literatur der Universität zu Köln ein Vierteljahrhundert unterrichtet und wie wenige dazu beigetragen, dass die Studierenden diese Prägung der Sprachwissenschaft als spannende und der Aufklärung verpflichtete Wissenschaft erfuhren. Wer Rolf Bachem im Unterricht oder Gespräch erlebt oder erlebt hat, spürt hinter jedem seiner Worte eine liebenswürdige, bescheidene, kluge und überaus gebildete Persönlichkeit. Die Leser dieses Buches werden die gleiche Erfahrung machen und ihm mit mir zurufen: Vivat crescat floreat ad multos annos!
Prof. Dr. Walter Pape, Universität Köln