Marlott Bachem: Das Zittern der Nadel im Kompaß. Gedichte.

1. Aufl. 2003, 152 S., Gb., ISBN 13: 978-3-9808973-3-4

Ladenpreis: 16,- €.

Beschreibung


Zuweilen benutzt dieses lyrische Sprechen ein schlichtes Erzählen, das in seinem rhythmischen Duktus und in seinen unerwarteten Bildgeschichten einem Erstaunen über ein Stück Lebenswelt Ausdruck verleiht. Viele Texte dieses Gedichtbands sind aber in „freien Rhythmen“ gestaltet und verwenden Assoziationen ungewöhnlicher Sprachbilder, Metaphern und eigenwillige Wortbildungen. Sie verlangen vom Leser, dass er einen gewissen Grad von Rätselhaftigkeit, Mehrdeutigkeit und Sprachverfremdung in Kauf nimmt und dass er dem Sprachspiel des Gedichts mit Sinnentwürfen begegnet, um sich dann von der Anmut unerwarteter Sinnfügungen, rhythmischer Figuren und der Musikalität der Sprache berühren zu lassen.. Diese Texte sind nie bloße Wortspiele, sondern sie gestalten immer die Zugewandtheit zu etwas Erfahrenem, das eine Brechung und Transzendierung erfährt. Sie haben nicht selten eine feine Ironie und einen leicht elegischen Ton im Wissen um die Vergänglichkeit und das Zerstörerische. Aber sie tragen auch in sich die Hoffnung auf ein Aufgehobensein in Liebe.


Rezensionen und Zuschriften


„... Aber gerade wenn man einige Erfahrungen hinter sich hat, findet man in Ihren Gedichten viel Selbsterlebtes ins Gleichnis gebracht. Schon gerate ich in Versuchung, die Gedichte aufzuzählen, zu denen ich einen ganz besonderen Zugang fand: etwa das Andalusien- und Alhambra-Gedicht 14f., das Florenz- und das Persien-Gedicht 23 u. 27, das Kindheitsgedicht „Bogen“, das reizende Kindergedicht „Kleine Reise“, das wunderbare Rotkehlchen-Gedicht „Flugfaden“, „Der Lichtschimmer unter der Tür“, „Bombennächte“, „Choral“ oder die zarte Liebeserklärung in „Zurückgekehrt in die Nischen der Eifel“. Nie haften Sie in den „Reisegedichten“ nur an der Oberfläche der Impressionen, und schön entfalten Sie in „Unheilbare Wörter“ eine Poetologie Ihrer Lyrik. Ich spüre in allen Ihren Gedichten eine Wärme, die mich bewegt.“

Prof. Dr. Walter Hinck, em.,  Neuere Deutsche Literatur, Universität Köln.



"Ausgehend von bildhaften Eindrücken von Reisen (u. a. Italien, Andalusien und Persien) [kreisen diese Gedichte] um die Rätselhaftigkeit unserer Existenz, Glücks- und Leiderfahrungen, Rückblicke auf die Kindheit, Totengedenken und Zeitkritik. Die Texte sind nie auf vordergründige Wirkung bedacht, sondern immer meditativ, anrührend, getragen von einer liebevollen Einstellung, und sie lassen ein fragendes Suchen nach der Gegenwart Gottes spüren. Die zum Teil leichtverständlichen, teils aber auch anspruchsvollen Gebilde sind musikalisch, expressiv und von sprachlicher Prägnanz. [ ... ]

Für an Lyrik Interessierte sehr lesenswert.“

Buchprofile Jg. 49,2,  Juni 2004 (F.Gi).



„Andalusien, Florenz, Kanada und Persien, Kindheit, Rätsel und Musik – die Themen, die Marlott Bachem (sie war über zwei Jahrzehnte Deutschlehrerin an einem Bonner Gymnasium) in ihrem Gedichtband Das Zittern der Nadel im Kompass berührt, sind breit gestreut. Gemeinsam ist freilich allen Gedichten eine gleichsam stille sprachliche Prägnanz. Der Band wird komplettiert mit farbigen Pastellkreidebildern der Autorin“

General-Anzeiger Bonn, 1. Februar 2004 (ga).



„... Mir sagt es sehr zu, wie Sie, von scheinbar einfachen Beobachtungen ausgehend, ins weiterfühlende Benennen und weitersuchende Fragen einladen, bescheiden keine Antworten vorgeben, aber einladen zu eigenem Fragen und Suchen. Der Titel ist genau, es gibt keine klaren Richtungsanweisungen, aber auch keine Beliebigkeit, es bleibt ein Zittern der Kompassnadel, die Richtung weist und Freiheit zu eigenen Denk- und Empfindungsbewegungen lässt. ... Mitvollzogen habe ich auch sehr Ihre vielfältigen Bezüge auf das lyrisch nicht Auflösbare, Schreckliche, Böse in dieser so schönen Welt“

Egbert Haug-Zapp, Darmstadt, ev. Pfarrer und Journalist



„ ... Mir fehlen die Worte,  um der Stille, der Kraft, der Naturverbundenheit,  die ich beim Lesen der Gedichte spüre,  Ausdruck zu geben.“

Brigitte Krautwig, Dipl.-Päd.,  Psychotherapeutin,  Köln.



„Sie lassen mit ganz wenig Worten Welten entstehen, die so anschaulich werden, daß man sich mit ihnen vertraut fühlt, ohne sie zu kennen. Mir hat das einen intellektuellen und emotionalen Blick über den Tellerrand hinaus ermöglicht, der mich ungeheuer beeindruckt hat. [...] Der eine oder andere Satz aus den verschiedensten Gedichten fällt mir in den unterschiedlichsten Situationen immer wieder ein. – Es zeigt mir, wie wahr Ihre Texte sind.“

Waltraud Quirin, Studiendirektorin, Bonn.



Textproben

Copyright: Loon Verlag  2003. Die folgenden Texte dürfen nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags weiterverwendet werden. Siehe auch: unser „Impressum“.



Bogen

Noch einmal wieder
der Duft von Phlox. -
Damals 
in diesem heiteren neugierigen 
Kindheitssommer
Lebensahnung    Erstaunen  
eingesogen aus den
feinblättrigen rosa Blüten.                 

Danach 
Kindheit im Kriegsschutt
Brandgeruch
angstvolles Hasten.

Aber heute nach so vielen Jahrzehnten
dieser plötzliche Aufsprung
der den mählichen Abgesang trifft
schmerzlicher Glückspfeil 
gespannter Bogen: 
Purpurner Phlox
diesen Mittag
im Osten Ontarios
in einem Garten
weit von zuhaus.

Ich gieße die Beete 
in einsamer Luft.
in diesem trockenen heißen August
den die Zikaden
Tag und Nacht
heftig besingen.

Und der riesige schwarze Neufundländer
rennt herzu
wenn der Wasserstrahl
in die Kanne schießt
schiebt seine Zunge dazwischen
begeistert
obwohl auch sein Napf
noch gefüllt ist.

Die Wäsche von Kindern und Enkeln
trocknet im heißen Wind.

Ich steige aufs Holzpodest
hole die Zugleine ein
sammele
Stück für Stück
die vertrauten Teile.

und leg meinen Kopf
in die Fülle
die duftend gebauscht ist
vom Flattern
in einsamer Luft.





Es waren drei Uhren

Es waren drei Uhren im Zimmer
die gingen im goldenen Mondschein
zwei stimmten leicht überein
nur die dritte
schlug schwer und bedrückt
einen anderen Takt.

Ihr Gewicht war von Stein
ein großer Kiesel
der zog und zog
zur Limmat oder zur Seine
im goldenen Mond des August.

Auch wenn ich es wüßte
mir wäre nicht leichter.





Nachricht im Oktober

Die weißen Gartenstühle stehn nun ganz allein.
Sie laden fremde Wintergäste ein.
Die krummen Blätter wölben sich auf rundem Tisch zur Speise.
Die sonst hier aßen sind auf einer langen Winterreise.

Der Blätterstaub verfärbt die blauen Wasserschalen
verwischt die Blumenmuster auf dem Grund.
Doch was wir fühlen ist von andern Blättermalen
noch faserig gezackt und wund.

Die grünbemoosten Krüge stehn geduldig offen.
Wir denken viel und möchten gerne hoffen.





Die suchenden Stimmen
der Tannenzeisig
wie hilflos und klein.

Knabenkraut  Arnika
Glockenblumenrascheln
Wassergeriesel  Tausendschönleben
in so vielen Jahren.

Aufgerissen ist nun der Himmel.
Schutzlos im Grellen
staunen wir stumm
und erhorchen
die brüllenden donnernden Welten.





Mirakel

Blickt ihr uns an
fragend erstaunt  
in euren pelzärmeligen
purpurnen Roben    
und schwarzen Baretten? 

Große flache Landschaften 
eure Gesichter gedehnt 
die Seinsgewißheit
gewichen für einen Moment.

Unfaßbar dieser Ruck
ins unerhört Ungemessene
der euch die Augen verdreht
seitwärts zaghaft ungläubig.  

Oder unzugänglicher Durchblick
bernsteinfarben
betrauernd den Richtungsverlust
das Verblassen
der Formeln.

Aber ihr mußtet es sehen.
Da war der ganz feine Riß
in den Fugen
des Universums.

Lucca, San Agostino





Verwunderung

Die Anmut einer Anemonenblüte
das Amselzauberlied an einem Regenabend
und Wirbeltanz
von schlanken Fingern in der Luft
und Stampfen festentschlossener Kinderfüße
so kam Prinzessin Nimmermehr
auf schwankem Brett
mit Seidensegel
gezogen übern Ozean.

Du hattest sie  nicht so erwartet.
Am Ufer stand  kein kleines
Silberoktogon.

Sie sprang an Land
und hißte eine winzige weiße Flagge
und war alsbald
mit allen Möwen im Gespräch.





Sankt Nikolaus am  Kirchhof

Stummes Lachen 
ahnungsvoll
von Erwachen 
wo die Liebe 
schlafen soll.

Weißer Mantel
schwarze Sterne
Mitra in der Schneelandferne
goldenes Säckchen weht im Wind.

O so leichte selige Gaben
die wir hier im Erdreich haben
wenn unsere Augen
geschlossen sind.





Hinter den Masken
offenen Auges.
Hinter den Masken
die feinen Linien
Blüten oder welkende Rosen
in schönen Farben.
Ihre Wurzeln im
Liebesland.

Steh nicht auf
ohne den Schutz
der entstellenden
Pappe.

Denk an das traurige Kind
das die gestrandeten Eltern
zum Weiterleben bewegt
sie zum Lachen bringt.

Denk an den Rat
der modisch gestylten
Athene:
Liefere dich nicht aus.

Schließ deinen Mund
oder plappere
klug
das Tagesgewäsch
und seife sie ein.

Ach
die bunten Visiere
die Stummheit
im tonlosen Lärm.

Nur manchmal
immer noch
rührt dich ein Atemgebild
und du öffnest
das freie Gesicht.

Athene – (griech. Mythologie)  Schutzgöttin der
griechischen Städte: schön, bewaffnet mit Schutz-
schild und Speer, auch Göttin der Weisheit.



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